Ideen und Gedanken zu Themen, die uns bewegen.

Monat: Mai 2024

„Eine Portion Führung, bitte!“

Der Satz „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“ wird wohl für sehr lange Zeit mit der Person unseres derzeitigen Bundeskanzlers verbunden bleiben. Hätte ich die Chance, ein Gespräch mit ihm zu führen, würde meine Kernfrage lauten: „Herr Bundeskanzler, was verstehen Sie unter Führung?“ Ich wäre gespannt auf seine Antwort.

Ist Führung etwas, was man bestellen kann? Im Restaurant bekomme ich in der Regel nur dann etwas auf den Teller, wenn und was ich bestellt habe. Lediglich ein „Gruß aus der Küche“ kommt manchmal von alleine. Findet Führung nur dann statt, wenn sie bestellt wird? Kann ein politisch auf höchster Ebene Agierender es sich erlauben, nur dann zu führen, wenn jemand die Führung einfordert? Natürlich nicht. So ist der legendäre Satz mit Sicherheit auch nicht gemeint. Aber er zeigt ein mir fremdes Führungsverständnis. Führung findet allein schon über die Vorbildfunktion von Führungskräften – und eine solche ist ein Bundeskanzler, ob er es will und weiß und merkt oder nicht – permanent statt.

Gemeint ist offenbar mit Führung „ein Machtwort sprechen“. Ein Begriff aus ferner Vergangenheit, als in Familien der Vater von der Mutter aufgefordert wurde, dafür zu sorgen, dass der Streit unter den Kindern, das Hampeln am Tisch oder irgendetwas anderes aufhört: Durch ein „Wort“ der „Macht“. Passt eine solche Situation in die Gegenwart, hier: in die Politik? Ein Indiz dafür könnte die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs sein. Aber eine „Richtlinie“ ist kein „Machtwort“.

Und doch, es könnte passen: Denn wenn in einer Koalition gestritten wird, dass die Erinnerung an einen Kindergarten nicht weit ist, muss es wohl manchmal tatsächlich sein, dass jemand ein „Machtwort“ spricht. Besser wäre, wenn die Kontrahenten selber darauf kämen, wie ihr Verhalten wirkt…

Work or Life?

Warum die „Work-Life-Balance“ Unsinn ist.

Work-Life-Balance ist ein Modebegriff. Er soll beschreiben, dass man nicht nur arbeiten, sondern auch leben soll. Interessant. Denn nimmt man diesen Begriff wörtlich, bedeutet dies, dass arbeitende Menschen nicht leben. Das ist Unsinn.

Aber denken wir diesen Gedanken einmal weiter. Danach findet das – wahre – Leben nur statt, wenn man nicht arbeitet. Da (fast) jeder Mensch leben will, muss es also sein großes Anliegen sein, so wenig wie möglich zu arbeiten, damit so viel wie möglich Zeit zum Leben bleibt. Denkt man dies zu Ende, ergibt sich wiederum Unsinn. Denn in aller Regel muss man arbeiten, um das nötige Geld dafür zur Verfügung zu haben, dass man so leben kann, wie man möchte.

Kern des Ausgangsbegriff ist es, dass Arbeiten etwas Unangenehmes, Unerfreuliches, Belastendes, mit Stress Verbundenes, die Freiheit Beschränkendes, Lebensfeindliches ist. Auch das ist Unsinn. Es kann so sein, muss aber nicht. Natürlich darf die körperliche und psychische Belastung, die mit Arbeiten einher gehen kann, nicht unterschätzt werden. Aber hier ist die primäre Frage nicht: „Wie kann ich das Arbeiten einstellen und zugleich ein schönes Leben führen?“, sondern: „Wie kann ich meine Arbeit und ihr Umfeld so gestalten, dass ich (wieder) gern arbeite?“

Darauf sollten wir Energie verwenden und sie nicht dafür verschwenden, zu überlegen, wie wir uns aus der Arbeit davonstehlen können. Die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ist so etwas. Volkswirtschaftlich: Unsinn.

Ein ganz verwegener Gedanke lautet: „Arbeiten macht mir Freude. Ich schaffe gern etwas mit Kopf und/oder Händen. Ich bin stolz auf meine Leistung und freue mich, wenn diese auch von anderen anerkannt wird. Das macht mich zufrieden, manchmal sogar glücklich.“

Ein offenbar für manche absurder Gedanke: Die Verbindung von Arbeit, Leistung und Erfüllung. Schade eigentlich.