Der Satz „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“ wird wohl für sehr lange Zeit mit der Person unseres derzeitigen Bundeskanzlers verbunden bleiben. Hätte ich die Chance, ein Gespräch mit ihm zu führen, würde meine Kernfrage lauten: „Herr Bundeskanzler, was verstehen Sie unter Führung?“ Ich wäre gespannt auf seine Antwort.

Ist Führung etwas, was man bestellen kann? Im Restaurant bekomme ich in der Regel nur dann etwas auf den Teller, wenn und was ich bestellt habe. Lediglich ein „Gruß aus der Küche“ kommt manchmal von alleine. Findet Führung nur dann statt, wenn sie bestellt wird? Kann ein politisch auf höchster Ebene Agierender es sich erlauben, nur dann zu führen, wenn jemand die Führung einfordert? Natürlich nicht. So ist der legendäre Satz mit Sicherheit auch nicht gemeint. Aber er zeigt ein mir fremdes Führungsverständnis. Führung findet allein schon über die Vorbildfunktion von Führungskräften – und eine solche ist ein Bundeskanzler, ob er es will und weiß und merkt oder nicht – permanent statt.

Gemeint ist offenbar mit Führung „ein Machtwort sprechen“. Ein Begriff aus ferner Vergangenheit, als in Familien der Vater von der Mutter aufgefordert wurde, dafür zu sorgen, dass der Streit unter den Kindern, das Hampeln am Tisch oder irgendetwas anderes aufhört: Durch ein „Wort“ der „Macht“. Passt eine solche Situation in die Gegenwart, hier: in die Politik? Ein Indiz dafür könnte die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs sein. Aber eine „Richtlinie“ ist kein „Machtwort“.

Und doch, es könnte passen: Denn wenn in einer Koalition gestritten wird, dass die Erinnerung an einen Kindergarten nicht weit ist, muss es wohl manchmal tatsächlich sein, dass jemand ein „Machtwort“ spricht. Besser wäre, wenn die Kontrahenten selber darauf kämen, wie ihr Verhalten wirkt…